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„Der Kern der Botschaft muss klar sein“ - Neue Einsichten bei der Fundraising-Tagung in Loccum

Nachricht 22. März 2023
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Carsten Scholz, Fundraiser bei der Welthungerhilfe, stellte Spenderinnen und Spender in den Fokus seines Vortrages. Foto: Frauke Weiß/HkD

„Bewegung ist das neue Normal“ - rund 60 Fundraisierinnen und Fundraiser aus den Kirchengemeinden der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, Stiftungen und Fördervereinen kamen zusammen, um Fundraising neu zu denken und innovative Möglichkeiten zu entdecken. Dazu waren Referent*innen verschiedener Organisationen eingeladen, die, ausgehend von ihren Handlungsfeldern, Impulse und Ideen zu modernem Fundraising vorstellten.

„Man sieht die Sonne langsam untergehen und erschrickt, wenn es dunkel ist“ – mit einem Hinweis auf Franz Kafka machte Ursula Hahmann, Betriebswirtschaftlerin mit Schwerpunkt Marketing, den Aufschlag mit ihrer Vorstellung von der „nächsten Kirche“. Tiefgreifender Kulturwandel und eine Gesellschaft im Umbruch werden eine Transformation erfordern, die nicht nur mit dem demografischen Wandel, sondern auch weiteren Themen umgehen, die Perspektiven angesichts des massiven Rückgangs von Kirchenmitgliedschaft, Gottesdienstbesuch einschließlich Taufen, Konfirmationen oder Beerdigungen aufzeigt. Dabei wird der Mindset, der Kern der Hoffnung eine entscheidende Rolle spielen. Je klarer der Kern der Botschaft ist, desto gelassener können Menschen mit Veränderungen umgehen.

Die nächste Kirche müsse agil sein und Angebots- sowie Geschäftsmodellinnovationen voranbringen. Nicht alle werden das „Neue“ mitmachen, das Bisherige werde aber nicht mehr alle Ressourcen bekommen. Innovationen erhalten geschützte Räume zur Entwicklung und werden nicht in das Bisherige integriert.

„Vom Menschen her denken“ - Erwartungshaltungen erkennen und berücksichtigen

Carsten Scholz, Leiter des Fundraisings bei der Welthungerhilfe, beschrieb, wie seine Organisation Innovation vorantreibt. Gemeinsam mit Mitarbeitenden bisher getrennter Arbeitsbereiche Inhalte zu erarbeiten, hilft, um Denken in Silos zu reduzieren. So haben die Teams für „Zielgruppen“ und „Kommunikationskanäle“ gemeinsam ein Konzept entwickelt, von den Menschen her zu arbeiten und die für diese am besten geeigneten Kanäle zu finden. Besondere Herausforderung sind die Erwartungshaltungen besonders nachrückender Spender*innengruppen, die gelernt haben, „beim Onlineshopping sofort genau das zu bekommen, was sie wollen“.

Diese Ausrichtung hat zum Beispiel bei der neuen Webseite dazu geführt, dass konsequent ein Fokus auf Fundraising gelegt, die Spendenprozesse optimiert und auf mobile Endgeräte ausgerichtet wurden. Die Ergebnisse geben den Machern recht: Das Spendenaufkommen hat sich vervierfacht.

Wie geht „Storytelling“?

„Ihr müsst arbeiten!“ machte Hans-Joachim Katenkamp, zuständig für die Förderergewinnung bei den Seenotrettern, bei der Vorstellung seines Themas deutlich: Storytelling basiert auf einer genauen Analyse der eigenen Organisation. Wer diese nicht genau kennt und die Stärken, Schwächen und Ziele nicht analysiert hat, sollte nicht mit Storytelling anfangen. Erst nach der Analyse kann eine relevante sinnstiftende Erzählung („Narrativ“) entstehen. „Mit Storytelling können Sie dann Ihrem Unternehmen ein Gesicht, eine Meinung, ein Ziel(system) und eine Mission geben. Dies kann authentisch aber nur glücken, wenn die Geschichte zum Unternehmen passt“, schloss Katenkamp.

Mit welcher Geschichte Viva con Aqua aus St. Pauli das Thema „Wasser für alle“ vermittelt, schilderte Johannes Tomczak, verantwortlich für Fundraising und Marketing. Sie wollen Lebensfreude vermitteln, selbst in den Projekten. Darum heißt auch die Fundraisingabteilung „Customer Happiness“.
Sehr offen berichtete er von den Herausforderungen: Bedingt durch das Wachstum, haben sich weitere Aspekte zur Ursprungsidee ergeben. Die neue Themenvielfalt hat aber negative Folgen für das Spendenaufkommen. „Wasser ist die Baseline für das Leben. Wir haben vergessen, das zu erzählen!“ Allerdings gilt auch: Zu viele Erfolgsstories wirken sich negativ aus.

Bei ihren Aktionen wird sehr darauf geachtet, nur ein Ziel zu verfolgen: Zum Weltwassertag, zum Beispiel, haben sie Greta Thunberg für ein Fotoshooting gewinnen können. Das Bild wird dann von ihr gepostet. Ziel ist dabei allein die Reichweite – was bei 14,8 Millionen Followern bei Instagram und 5,8 Millionen bei Twitter erfolgversprechend ist.

„Menschen, die spenden, wollen gestalten“

Medienwissenschaftler Eric Mayer stellte mit den Stichworten „Verbreitern, verjüngen, verstetigen“ Lösungsansätze vor, mit denen „Brot für die Welt“ das Potenzial aktiver Spender*innen nutzen und zugleich neue Spender*innen gewinnen möchte. Im Blick sind dabei besonders die „Wiederaufbauer“ und die „Babyboomer“ – und am Horizont neue Arbeitsweisen, wenn Datenbanken mit Hilfe künstlicher Intelligenz drohende Abbrüche von Spender*innenbeziehungen erkennen und entsprechende Schritte einleiten könnten.

Kritische Fragen warf Dr. Kai Fischer, Lehrbeauftrgter an der HWR Berlin und Dozent der Fundraising-Akademie Frankfurt/Main, in seinem Abschlussbeitrag auf. Die Anzahl der Spendenden sinke immer weiter und schneller. Selbst angesichts des Ukrainekriegs sei es nicht gelungen, diesen Trend zu stoppen. Angesichts der zunehmenden Individualisierung, die immer differenziertere Kommunikation erfordert, bleibt auch die Frage, ob es tatsächlich einen Zusammenhang zwischen Geburtskohorte und Einstellungen und Werten gibt.

Fischer forderte dazu auf, die eigene „Story“ zu definieren: „Fundraising ist ganz simpel: Sie müssen mir eine Geschichte anbieten, die ich erzählen kann, und sie müssen mit mir in Kontakt kommen“. Dabei sollte auch klar sein, dass Organisationen und Einrichtungen einen Zweck erfüllen wollen und dafür Geld benötigen. Menschen, die spenden, suchen aber Beziehungen, wollten gestalten und die Welt zu einem besseren Ort machen.

Stephan Liebner

Bitte vormerken!

Die nächste Fundraising-Tagung in Loccum findet vom 5. bis 6. März 2024 statt.

Ansprechpartner

Dalby-2018
Paul Dalby

Leitender Referent
Pastor