Foto: HkD

Die Kraft der weichen Faktoren: Impulstag zu regiolokaler Kirchenentwicklung setzt Akzente

Nachricht 25. Mai 2023
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Impulstag „Regiolokale Kirchenentwicklung“: Teilnehmende aus norddeutschen Landeskirchen kamen auf dem Gut Wienebüttel am Stadtrand von Lüneburg zusammen. Foto: Thomas Steinke/HkD

Über 60 Personen aus verschiedenen Landeskirchen Norddeutschlands – viele von ihnen sind Pastor*innen oder Superintendent*innen – sind in der vergangenen Woche ins Kulturforum Lüneburg gekommen, um sich über Fragen der „Regiolokalen Kirchenentwicklung“ auszutauschen: Was bedeutet lokal – was bedeutet regional in der Praxis? Wie kann Vertrauen gefördert werden? Wie kann Raum für Neues entstehen und wie gestalten wir Abschiede auf dem Weg der Veränderung? Wo lauern Fallen, Konflikte und Widerstände – und wie gehen wir konstruktiv damit um? Welche geistlichen und biblischen Bilder machen Mut? Inwiefern sprengt „Regiolokale Kirchenentwicklung“ unser kirchliches System, wenn dabei Kirche an anderen Orten und der Sozialraum im Blick ist?

„Genau dieses lebendige Miteinander im Bewegen gemeinsamer Fragen und im Teilen von Ideen und Erfahrungen war unser Ziel, als wir diesen Tag in einem Landeskirchen-übergreifenden Team vorbereitet haben“, so Nicole Thiel, Leitende Pastorin im Hauptbereich Gottesdienst und Gemeinde der Nordkirche. „Wenn wir auch aus ganz unterschiedlichen Kontexten kommen, so sind die Probleme doch überall gleich“, ergänzt Pfarrer Dr. Stefan Welz, Referent für Theologische Grundsatzarbeit im Bischofsbüro der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg: „Denn der tiefgreifende gesellschaftliche Transformationsprozess verändert auch die vertraute Gestalt von Kirche und die Rahmenbedingungen für kirchliche Arbeit nachhaltig.“

In dem eingespielten Videovortrag drückte Prof. Dr. Michael Herbst, emeritierter Praktischer Theologe der Universität Greifswald, es so aus: „Wir empfinden den schmerzhaften Verlust und gestalten die unbestreitbar notwendigen Strukturanpassungen normalerweise nach dem dominanten Prinzip des Rückbaus; Investitionen in Umbau und mögliche Neuaufbrüche stehen dahinter zurück.“ Koreferent Hans-Hermann Pompe, rheinischer Pfarrer im Ruhestand und zuletzt Direktor der kirchlich-diakonischen Zukunftswerkstatt „midi“ in Berlin, plädierte leidenschaftlich dafür, das Strukturgefälle und also die Priorität bei Strukturentscheidungen zu überwinden: „Strukturen haben vielmehr eine dienende Funktion, nämlich die Menschen auf Gott hin zu bewegen.“ Weiche Faktoren wie Vertrauen, Beziehungen, Identität, Kreativität usw. seien unverfügbar und erscheinen zeitaufwendiger – und spielen doch eine entscheidende Rolle. Es zeige sich deutlich, dass notwendige Strukturveränderungen das Zusammenspiel mit gelingenden Beziehungen und geistlichen Dimensionen brauchen.

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Foto: Stefan Welz

Pastorin Friederike Böhm aus Wolfsburg reflektierte in ihrem Statement die zukünftig notwendige neue Rolle, nämlich Trainerin für eine mündige Gemeinde zu sein, und stellte fest: „Dafür bin ich gar nicht ausgebildet!“ Zudem begegne ihr in den Erwartungen der Menschen häufig das Bild von Kirche als Dienstleisterin und nicht als Freiraum der Begegnung und des Glaubens.

Ein zweiter erfrischender Zwischenruf aus der Praxis kam aus der Kirchengemeinde Lohmen in Mecklenburg. Zu ihr gehören 35 Dörfer, acht Kirchen, drei Gemeindehäuser und ein Pfarrhaus. Pastor Jonas Görlich berichtete davon, dass sie sich in ihrer Arbeit auf bestimmte Orte konzentrieren, an denen sich die Leute aufhalten. So haben sie an einem Ort einen „6 Wohneinheiten-Wohnblock“ aus DDR-Zeiten für kirchliche Jugendarbeit umgebaut, der mittlerweile auch die kommunale Jugendarbeit und eine Arztpraxis beherbergt. „Regiolokale Kirchenentwicklung bedeutet für mich eine bestimmte Haltung und – trotz geringer werdender Ressourcen – auch Selbstbewusstsein. Wir werfen das in die Waagschale, was wir haben, und stellen unsere ganze Infrastruktur zur Verfügung.“

Nach dem Kaffeetrinken hatten die Teilnehmenden Gelegenheit, die Eindrücke des Tages persönlich zu reflektieren und in einer Art kollegialer Beratung ihre Frage oder eine Idee für den nächsten Schritt in Dreier-Gruppen zu vertiefen. „Diese Phase war uns in der Vorbereitung sehr wichtig“, betont Pastor Thomas Steinke, Leitender Referent der Missionarischen Dienste im Haus kirchlicher Dienste in Hannover, „denn wir verstehen diesen Tag als konkrete Ermutigung und als Anfang einer hoffentlich sich weiterentwickelnden Vernetzung. So wird es im Herbst ein bundesweites digitales Fortsetzungsformat geben.“ Heike Burkert, Pastorin für Regiolokale Kirchenentwicklung in den Kirchenkreisen Wolfsburg-Wittingen und Uelzen, ergänzte: „Mittlerweile ist das Vortragsvideo von Michael Herbst und Hans-Hermann Pompe online verfügbar. Auf diese Weise kann es also in Workshops auf Kirchenkreis- oder regionaler Ebene problemlos eingesetzt werden.“ Zudem kann eine überarbeitete Broschüre zur Regiolokalen Kirchenentwicklung bei midi bestellt werden bzw. steht dort auch zum Download bereit.

Ansprechpartner

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Thomas Steinke

Leitender Referent für Missionarische Dienste
Pastor