Foto: HkD

Friedensorte: Die Hoffnung nicht aufgeben

Nachricht 25. August 2022

Wie der Krieg in der Ukraine die Arbeit der Friedensorte verändert

Das Thema Krieg gehört für die acht Friedensorte in Niedersachsen zum Alltag. Sie erinnern an vielfaches Leid, lehren unter anderem friedliche Konfliktbewältigung und wollen dadurch zu einem gerechten Frieden in der Welt beitragen. Welche Folgen hat der Krieg in der Ukraine für ihre Arbeit?

Hannelore Köhler traf der Ausbruch des Krieges in der Ukraine genauso unerwartet wie viele andere Menschen in Deutschland. „Ich war geschockt“, sagt die 69-Jährige. Doch nicht nur das Schicksal der Menschen in der Ukraine machte sie betroffen. „Ich habe mich auch gefragt, was der Krieg für unsere Arbeit in Sievershausen bedeutet.“ Köhler ist Vorsitzende eines Vereins, der die Friedensarbeit im Antikriegshaus Sievershausen unterstützt, einem von acht Friedensorten in Niedersachsen. Hier lernen Menschen unter anderem Konfliktbearbeitung und Gewaltprävention, hier nimmt die Idee Gestalt an, dass Frieden ohne Waffen möglich ist. Sollte diese Arbeit überholt sein?

„Wir haben keine Lösung, wie der Krieg beendet werden kann“, sagt Andreas Ehresmann, der die Gedenkstätte Lager Sandbostel leitet, ein ehemaliges Kriegsgefangenenlager und ein weiterer Friedensort. „Wir können unsere Friedensarbeit aber im Kleinen leisten“, sagt der 57-Jährige unverdrossen. Dieses Engagement sei durch den Krieg nicht infrage gestellt. Es gehe um die Stärkung der Haltung, Konflikte anders als durch Gewalt zu lösen. „Miteinander zu reden, ist besser als jede militärische Auseinandersetzung.“

Die Angebote der Gedenkstätte seien seit Kriegsbeginn indes unverändert, betont Ehresmann. In Gemeinden und Schulen gebe es friedenspädagogische Projekte, in denen sich Viertklässler mit Kriegen und dem Schicksal von Kriegsgefangenen beschäftigen, sowie Projekttage und Rundgänge in der Gedenkstätte. Gleichzeitig sei das Interesse an der Arbeit gestiegen, betont Ehresmann. „Wir haben viele Anfragen von Schulen und Konfigruppen.“

Kein Austausch, Recherche nicht möglich

In Sievershausen ist ein Begegnungsraum für ukrainische Flüchtlinge entstanden. Ab September sind dort auch Veranstaltungen zum Krieg in der Ukraine geplant. Auch die Gnadenkirche in Tidofeld, ein weiterer Friedensort der Landeskirche Hannovers, sucht die aktuelle Auseinandersetzung mit Krieg. „Wir haben im März eine Antikriegsdemo mitorganisiert“, sagt Lennart Bohne, der die Nordener Dokumentationsstätte zu Flucht und Vertreibung am Ende des Zweiten Weltkriegs leitet. Außerdem versuche die Einrichtung, einen Gesprächskreis mit Russlanddeutschen aufleben zu lassen. Geplant seien zudem Interviews mit geflüchteten Ukrainern. Außerdem zeige die Dauerausstellung Parallelen auf zwischen der Flucht ukrainischer Kinder heute und deutscher Kinder damals.

Doch zu den Folgen des Krieges gehört auch, dass zahlreiche Begegnungen zwischen deutschen, russischen und ukrainischen Jugendlichen ausgefallen sind. „Viele Kontakte sind abgebrochen, viel Austausch ist verlorengegangen“, sagt Felix Paul, Referent für Friedensarbeit im Haus kirchlicher Dienste in Hannover. Auch die Forschungsarbeit der Friedensorte sei betroffen. „Recherchearbeit ist in Russland nicht mehr möglich.“

Darüber hinaus bleibt den Friedensengagierten die Überzeugung, dass zivile Konfliktbearbeitung Bedeutung behält. „Das bleibt wichtig, auch wenn wir neu über Sicherheitspolitik nachdenken müssen“, sagt Hannelore Köhler. Und Andreas Ehresmann sagt: „Wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben, dass es irgendwann keine Kriege mehr gibt.“

Sven Kriszio/Evangelische Zeitung