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„Weil das Spaß macht!“ - Vorlesetag mit Landesbischof Meister

Nachricht 18. November 2022

Kinderbuch statt Bibeltext, Bücherei statt Kirche – Landesbischof Ralf Meister hat beim bundesweiten Vorlesetag mitgemacht und Schülerinnen und Schülern aus der Comeniusschule in Hannover einen „märchenhaften“ Vormittag beschert. 

Der Vorlesetag ist seit 2004 Deutschlands größtes Vorlesefest und vermittelt Kindern und Erwachsenen auf gemeinsame Initiative von der Stiftung Lesen, der Wochenzeitung „DIE ZEIT“ und Deutsche Bahn Stiftung alljährlich am dritten Freitag im November die Bedeutung des Vorlesens. Rund 600 000 kleine und große Menschen haben gestern beim Aktionstag mitgemacht, darunter viele Prominente wie die Moderatorin Maybrit Illner, Sportler Jens Lehmann oder Autor Paul Maar. 

Landesbischof Meister ist als Vorsitzender des Evangelischen Literatur-Portals, dem Dachverband der evangelischen öffentlichen Büchereien, in Sachen Vorlesetag ein alter Hase. Kaum haben es sich die 47 Erst- und Viertklässler auf der Kissenlandschaft in der Kinder- und Jugendbücherei der evangelischen Lukaskirche gemütlich gemacht, kommen erste Fragen, die den kleinen Zuhörerinnen und Zuhörer auf der Seele brennen. „Was macht eigentlich ein Bischof?“ und „Darf ein Bischof überhaupt heiraten?“ Also erzählt Ralf Meister zunächst ein bisschen über sein Tun, dass er schon sehr, sehr lange verheiratet ist und längst nicht so gut vorlesen könnte, wenn er nicht selbst drei Kinder hätte. Die seien aber mittlerweile erwachsen. Zwei Enkelinnen lauschen der warmen, lebendigen Stimme des Großvaters dafür von Zeit zu Zeit. Demnächst bestimmt auch den Worten aus „Rotkäppchen rettet den Wolf – ein Nicht-Märchen“.

Für die Lektüreempfehlung seitens Nicole Schwarzer, Referentin für Bücherei- und Medienarbeit vom Haus Kirchlicher Dienste, konnte sich der Landesbischof schon vor Beginn der Lesestunde begeistern. 

„Ich habe schon ein bisschen geübt und der Titel gefällt mir, nur fällt mir Rotkäppchen laufend ins Wort“, erzählt Ralf Meister lachend. Und dann geht’s auch schon los. Aber können Kinder in der Grundschule, die mit Conni, Sams und Harry Potter aufwachsen, denn mit dem Klassiker überhaupt noch etwas anfangen? 

Ob Märchen oder Nicht-Märchen – die Originalfassung vom Rotkäppchen, so der Landesbischof, müssen Kinder nicht unbedingt kennen, um der Geschichte folgen zu können.

Das Kinderbuch dreht sich um die neunjährige Anna alias Rotkäppchen, die von den Märchen der Erwachsenen genervt ist. Und so beginnt das Nicht-Märchen statt mit „Es war einmal“ mit „Es ist“. Die Story ist die gleiche. Für Rotkäppchen geht’s in den Wald, um der Großmutter Kuchen zu bringen. Alles, was dann kommt, ist anders: Rotkäppchen ist selbstbewusst, frech und vorlaut. Die Großmutter ist nicht krank. Der Wald ist voller Müll - und der Wolf? Der ist menschenscheu und möchte Rotkäppchen nicht über den Weg laufen. Den Part des Bösewichts übernimmt stattdessen der Bürgermeister von Buchwalden an der Grimm, Wolfgang Wolf. Er will den Wald abholzen und dort ein Einkaufszentrum bauen. Rotkäppchen ist wild entschlossen, das zu verhindern und damit die Natur, die Wolfsfamilie und die anderen Tiere zu retten. Ein modernes Märchen also, das schon die kleinen Köpfe zum Nachdenken anregen soll. 

Meister weiß, wie man Zuhörer fesselt, auch die Jüngsten. Er erzählt mit Gesten und perfekt imitierten Stimmen der Protagonisten im Buch und kann die Kinder für die Geschichte um Anna begeistern. Das Büchereiteam mit Sandra Hensing, Ute Senkowski und Barbara Stein unterstützt tatkräftig, hat Plakate vorbereitet, die das Gehörte bildlich darstellen. Und sie stellen zum besseren Verständnis zusammen mit Regionaldiakonin Elke Siegmund die Steckbriefe der einzelnen Figuren aus dem modernen Märchen vor. 

Das kommt bei Lehrkräften und Kindern gut an. „Ich finde es großartig, dass sich Initiativen im Stadtteil verknüpfen und dabei so wunderbare Begegnungen wie diese Vorlesestunde herauskommen“, sagt Daniel Schüttlöffel, der die Erstklässler aus der „Flamingo-Klasse“ begleitet. Das Leseprinzip haben seine Schülerinnen und Schüler schon begriffen, jetzt gehe es darum, die Kinder für das Lesen zu begeistern. „Mir gefällt es hier und die Geschichte finde ich spannend“, sagt Milla. Auch Sarah besucht die erste Klasse und freut sich darauf, selbst lesen zu können. Bis dahin lauscht sie den Erwachsenen, „weil das Spaß macht!“ 

In den Vorlese-Genuss kommen die bücherbegeisterten Viertklässler von Anja Leue jeden Morgen. „Die Kinder machen Frühstückspause und ich lese vor“, erzählt sie lachend. „Aber heute ist ein besonderer Tag, da bin ich mit Zuhören dran.“

Tanja Niestroj/Evangelische Medienarbeit

Ansprechpartnerin

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Nicole Schwarzer

Referentin für Bücherei- und Medienarbeit. Ansprechpartnerin für Bibliotheksmanagement und -entwicklung und Medien- und Informationskompetenz