Foto: Friebe

Tag 3: Moordorf, Victorbur und Aurich

Moormuseum Moordorf

Vor meinem Besuch bei der Kirchengemeinde Victorbur habe ich am Vormittag noch etwas Zeit und entscheide mich für einen kurzen Besuch im Moormuseum Moordorf. Hier wird mit originalgetreuen Nachbauten von Soden- und Plaggenhütten auf eindrückliche Weise gezeigt, unter welch widrigen Bedingungen die ersten Siedler des Moors gearbeitet und gelebt haben. König Friedrich II. hatte Mitte des 18. Jahrhunderts das „Urbarmachungsedikt“ erlassen, um die Heide- und Moorflächen besser zu nutzen. Das Edikt besagte, dass ebendieses Land, so lange es nicht in Privatbesitz war, von da an dem preußischen König gehörte und neue Siedler sich durch Torfabbau Flächen davon als Eigentum erarbeiten konnten. Auf dem moorigen Boden konnten die Siedler aber kaum genug Lebensmittel für ihre Selbstversorgung anbauen – viele Familien hungerten, die Kinder gingen betteln, mehrere Generationen lebten in äußerster Armut.

Vor diesem historischen Hintergrund bekommt die heutige Thematik der Moor-Wiedervernässung eine tiefere Bedeutung. Auch wenn mir einige Dinge schon vorher bekannt waren – die lebensnahe Darstellung dieser Geschichte hat mich sehr bewegt und ich kann das Museum jedem empfehlen.

Laura unterwegs

Kirchengemeinde Victorbur

Mit dem mittäglichen Glockengeläut fahre ich vor dem Gemeindehaus der Kirchengemeinde Victorbur vor und werde von einer Gesprächsrunde, bestehend aus Kirchenvorsteher*innen, Landwirt*innen und Ehrenamtlichen, herzlich begrüßt. Das Pastorenehepaar ist aktuell im Urlaub, daher lerne ich die beiden leider nicht kennen. Doch schon im Vorfeld hatte Herr Hoogstraat mir ein paar Informationen zur Kirchengemeinde und den Verbindungen zur Landwirtschaft per E-Mail zugeschickt – und nun höre ich weitere Details zu den „Sommergottesdiensten“, deren Inhalt sich jeweils um eine Getreideart (Weizen, Gerste, Hafer) dreht, zum „Gartengottesdienst“ und Erntedankfest – Gottesdienstformate, die sehr sorgfältig vorbereitet werden. Darüberhinaus gab es schon Gottesdienste speziell für Landwirte Und regelmäßig werden die kirchlichen Pachtflächen vom Kirchenvorstand besucht, um den Kontakt zu den Verpächtern zu pflegen, und damit die Kirchenvorsteher*innen wissen, wie die Flächen bewirtschaftet werden.

Der Austausch von Landwirt*innen mit Nicht-Landwirt*innen ist der Gemeinde wichtig und ich spüre das gegenseitige Vertrauen, den Respekt und die Wertschätzung.

„Bewahrung der Schöpfung ist für mich Verbesserung des Bodens, Humusaufbau!“, sagt ein Landwirt in der Runde. „Kein Landwirt will seinen Boden kaputt machen“, stimmt seine Sitznachbarin ihm zu, ebenfalls Landwirtin. Viele Dinge in Bezug auf Artenschutz und Biodiversitätserhalt würden Landwirte auch gerne freiwillig tun – z.B. Blühstreifen anlegen. Doch unter politischem Druck, der mit kleinteiliger Bürokratie durchgesetzt würde, sei das gar nicht immer machbar.

Küsterin Herta Ites-Poppen spricht über das Gemeindeleben

Landwirtschaftlicher Hauptverein für Ostfriesland e.V.

Diesen Umstand bestätigen später am Nachmittag Maren Ziegler, Geschäftsführerin des Landvolk-Kreisverbandes Norden-Emden, und ihr Kollege Heinz-Hermann Hertz-Kleptow, Geschäftsführer des Kreisverbandes Aurich, die ich beide im Landvolkhaus Aurich treffe. Bei manchen Themen, wie z.B. Schäden auf landwirtschaftlichen Flächen durch Grau- und Nonnengänse, gehe es bei der Entschädigung zum Teil gar nicht nach dem tatsächlich entstandenen Schaden, sondern um die geographische Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kulisse.

„Die Flexibilität bei einigen Verordnungen, wie sie in anderen europäischen Ländern, zum Beispiel in den Niederlanden, gehandhabt wird, die gibt es bei uns in Deutschland leider nicht. Dabei würde das die Landwirt*innen sehr entlasten – denn Landwirtschaft ist immer wetterabhängig und manchmal muss man damit eben flexibel umgehen, auch wenn eine Richtlinie etwas anderes vorsieht“, sagt Frau Ziegler.

Ich würde gerne noch so viel mehr fragen, doch mein Kopf muss die intensiven Eindrücke des heutigen Tages erst einmal verarbeiten.

So verabschiede ich mich von Frau Ziegler (Herr Hertz-Kleptow musste schon etwas früher zu einem anderen Termin aufbrechen), bedanke mich bei ihr nochmals ausdrücklich für ihre Unterstützung – denn sie hat mir sehr bei der Vorbereitung dieser Landpartie geholfen – und mache mich auf den Weg zu meinem Hotel für diese Nacht.