Foto: Friebe

Tag 1: Von Emden nach Twixlum

Zu Besuch bei „Antjes Käsehuus“

Vom Emdener Hauptbahnhof sind es mit dem Fahrrad nur knappe 20 Minuten nach Twixlum. Dort treffe ich Antje und Ineke, Tochter und Mutter, Landwirtinnen mit niederländischen Wurzeln und herzlicher Gastfreundschaft.

Vor etwa 30 Jahren waren Ineke und ihr Mann aus den Niederlanden nach Ostfriesland gekommen, weil sie jeweils die elterlichen landwirtschaftlichen Betriebe als Zweitgeborene nicht übernehmen konnten. In Twixlum haben sie dann den Milchviehbetrieb gegründet und vor einem Jahr erweiterte Antje diesen um eine Käserei, einen Hofladen und ein Café. In „Antjes Käsehuus“ verarbeitet sie einen Teil der Milch ihrer Tiere zu unterschiedlichen Käsesorten, die die Bewohner Twixlums und Umgebung im Hofladen kaufen können. Zu den Öffnungszeiten bieten sie außerdem Kaffee und Kuchen an, Kinder können im Garten spielen und den Hof erkunden. Es sind Szenen fast wie aus einem Bilderbuch, doch das, was die Familie dort auf die Beine gestellt hat und jeden Tag leistet, ist mit viel Arbeit verbunden und bewundernswert.

Das Café mit dem Hofladen und dem Kuhstall nebenan erfüllt zusätzlich eine weitere wichtige Aufgabe: Menschen, die sonst wenige Berührungspunkte mit der Landwirtschaft haben, sind eingeladen, einen Betrieb zu sehen und Antworten auf ihre oft auch kritischen Fragen zu bekommen. Und da sind wir bei einem Gesprächsthema angekommen, das heutzutage ein schwieriges, belastendes ist: Die Spaltung unserer Gesellschaft. Der Graben zwischen Landwirt*innen und Nicht-Landwirt*innen ist sehr breit geworden, was bei den meisten Themen und Diskussion spürbar wird: „Die Menschen reden nicht mehr miteinander!“

Die Trockenheit dieses Sommers ist auf den hiesigen Marschböden kein großes Problem – diese machen die Bewirtschaftung eher schwierig, wenn der Sommer zu nass ist. Auch der Milchpreis ist in Ordnung – nein, was viele Landwirtsfamilien belastet ist ihr Image im Rest der Gesellschaft. „Kein Landwirt will die Natur zerstören“, sagt Antje. Doch viele leben in ständiger Angst, gegen eine Richtlinie verstoßen zu haben oder einen Fehler zu machen, nur, wenn sie ihre tägliche Arbeit tun. Landwirts-Kolleg*innen würden bei Hofbesuchen Ineke fragen, ob sie keine Sorge hätten, dass Besucher*innen einen „Fehler“ entdecken.

„Wenn die Kirche helfen könnte, diesen Graben schmaler zu machen, das wäre wirklich wichtig“, sagt Ineke. Und das ist doch etwas, was die Kirche immer wieder als eine ihrer Stärken betont: Begegnungsräume schaffen, Gesprächsformate anbieten, Menschen zueinander bringen.

Zum Abschluss meines Besuches berichte ich von den Familienberatungen und Sorgentelefonen in Niedersachsen, die speziell für Landwirtsfamilien existieren und von unterschiedlichen Einrichtungen betrieben werden – unter anderem der Evangelischen Landwirtschaftlichen Familienberatung. Nicht nur dem Kirchlichen Dienst auf dem Lande, auch den Kirchen insgesamt und jeweiligen Einrichtungen ist es ein großes Anliegen, diese Angebote bekannter zu machen, die kostenfrei oder mit geringen Kosten verbunden sind.

Antje steht auf, leider müsse sie los, die Buchführung ruft. Wir machen noch ein Foto vor ihrem „Käsehuus“, und gerade will ich mich auf mein Rad schwingen, ruft sie mir noch von der Straßenecke zu: „Gerade kommen die Kühe von der Weide, willst du zuschauen?“ Die ersten Kühe kommen mir laufend, leicht springend entgegen, der Rest der Herde folgt langsam trottend. Ein schöner Anblick – und mit dem Kopf voller neuer Eindrücke und Gedanken radle ich los, an weiteren Wiesen und Kuhherden vorbei, mit dem Blick über das weite Ostfriesland.