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Sich einlassen und loslassen

Nachricht 25. März 2022

Ehrenamtliche begleiten Menschen auf den Pilgerwegen in Niedersachsen

Wer in Niedersachsen pilgern möchte, hat viele Möglichkeiten. Dazu zählen nicht nur zahlreiche Pilgerwege wie der von Loccum nach Volkenroda und thematische Schwerpunkte, sondern auch sehr individuelle Angebote von eigens ausgebildeten Ehrenamtlichen, die Pilgerinnen und Pilger begleiten. Für ein Angebot muss man Manager sein.

Der Wunstorfer Hermann Klas ist der Pilgerbegleiter mit dem wohl ungewöhnlichsten Angebot in Niedersachsen: Er begleitet nämlich Manager, die pilgern – aber immer nur einen zur Zeit - „Eigentlich ist das reiner Luxus“, sagt der 56-jährige Computerfachmann. „Mir bereitet es Freude, mich auf Menschen einzulassen“.

Der „Luxus“ beginnt schon bei der Vorbereitung der zweitägigen Pilgertour. In einem rund einstündigen Telefonat kläre er, welche Themen anliegen. „Ich versuche, einen Eindruck von dem Menschen zu bekommen, den ich begleite. Dazu frage ich ganz offen, was ihn bewegt. Und dann überlege ich, wie ich ihn erreichen kann“, so der Familien­vater. Schließlich suche er als Impule passende Texte, Gebete und Gesänge aus. „Pilgern ist eine Herausforderung“, sagt Klas. „Ein Wanderer geht los, aber ein Pilger bricht auf.“

Hermann Klas sieht sich nicht so sehr als Seelsorger, sondern vielmehr als Zuhörer. Gelegentlich gebe er einen Impuls, wie es vielleicht ein Freund täte. „Und dann gehen wir eine halbe Stunde im Schweigen.“ Aber Klas singt unterwegs auch gern, zum Beispiel Lieder aus Taizé. „Es ist schön zu erleben, wie Menschen sich öffnen und auf den Weg einlassen“, sagt er.

Pilgerbegleitung muss erlernt werden

Klas ist einer von rund 80 Pilgerbegleitern, die sogar eine entsprechende Ausbildung im Haus kirchlicher Dienste absolviert haben. „Es braucht Struktur, andere mit auf den Weg zu nehmen“, erklärt Pilgerpastorin Annette Lehmann. „Die Begleiter müssen damit umgehen können, dass das Pilgern im Menschen etwas in Bewegung bringt.“ Es gehe daher bei mehreren Treffen zum Beispiel nicht nur um Erste Hilfe, sondern auch um seelsorgerliches, liturgisches und gruppendynamisches Handwerkszeug. Es gelte, sich achtsam auf Menschen und mögliche Situationen einzulassen, betont Lehmann. „Am Ende steht sogar eine Prüfungstour, die zwei angehende Pilgerbegleiter schriftlich ausgearbeitet haben.“

22-03---Gudrun Laqua mit Landkarte
Gudrun Laqua vor der Karte des Pilgerweges Loccum-Volkenroda. Demnächst hält sie einen Vortrag. Foto: Wilfried Laqua

Gudrun Laqua ist eine weitere ausgebildete Pilgerbegleiterin. Auf einer ihrer sieben Touren, die sie in diesem Jahr anbietet, will sie Pilgern das Klosterleben nahebringen. „Ziel ist das Kloster Mariensee. Dort erzählt die Äbtissin von den Frauen in den Klöstern und ihrem Leben“, erzählt die 67-jährige Erzieherin, die auch eine Ausbildung zur Kirchenführerin gemacht hat.

Ein Motiv zu pilgern sei ihre ­Naturverbundenheit, erzählt Gudrun Laqua, die in Bokeloh bei Wunstorf lebt und immer schon viel gewandert ist. „Ich habe einen riesengroßen Garten und finde es schön, wenn man durch die Natur geht und beobachten kann, wie sich alles entwickelt.“ Im Frühjahr findet sie dies besonders schön. Doch das Pilgern habe noch eine andere Dimension. „Es geht um die Verbundenheit mit Gott, die ich beim Pilgern spüre“, sagt Laqua. „Ich kann loslassen, nach innen gehen und komme auf andere Gedanken.“ Aber auch das Loslassen sei wichtig. „Das Pilgern in der Natur gibt mir ein großes Glücksgefühl.“

Sven Kriszio/Evangelische Zeitung