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Abschied von Pastor i.R. Ernst-Wolf Kleinwächter

Nachricht 25. Januar 2022
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P.i.R. Ernst-Wolf Kleinwächter. Bild: privat

Die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers trauert um Pastor i.R. Ernst-Wolf Kleinwächter (21.6.1929 – 11.1.2022).

„Wir verlieren mit Ernst-Wolf Kleinwächter einen warmherzigen, tief gläubigen, friedensbewegten und interreligiös engagierten evangelischen Christen und Pastor", sagt Prof. Dr. Wolfgang Reinbold, Beauftragter für Kirche und Islam im Haus kirchlicher Dienste der Landeskirche.

Ernst-Wolf Kleinwächters Leben und Wirken war außerordentlich facettenreich. In einer Abschieds-Email, die er vor einiger Zeit an seine vielen Freundinnen und Freunde schickte, nannte er sich scherzhaft einen „Beute-Hannoveraner mit schlesisch-polnisch-jüdischem Migrationshintergrund“.

Hinter dieser humorvollen Selbstbeschreibung steht eine überaus bewegte Lebensgeschichte: Mit Schlesien und Polen verband ihn seine Herkunft aus Beuthen/Oberschlesien, seit 1945 Bytom/Polen. Zeit seines Lebens setzte sich Ernst-Wolf Kleinwächter für die Verständigung zwischen Deutschen und Polen ein. Er war Mitglied und Vorstand der Deutsch-Polnischen Gesellschaft, reiste unzählige Male nach Polen, hielt enge persönliche Kontakte.

Als in gewisser Hinsicht „jüdisch“ empfand er sich, weil sein Vater Sohn einer Mutter war, die ein jüdisches Elternteil hatte. Von den Nationalsozialisten entsprechend als „Vierteljude“ eingestuft, verlor der Vater 1937 die Arbeit. Die Familie verließ Beuthen und ging in den Westen. 1938 lebte sie in Hannover, wo der Vater nach dem 9. November erneut sofort gekündigt wurde. Zufällig sah der junge Ernst-Wolf die große Synagoge in der Roten Reihe brennen. So wird ihm der christlich-jüdische Dialog zu einem Herzensanliegen. Wer die christlich-jüdischen Dialogabende in der Marktkirche in Hannover besucht, wird ihn gekannt haben. Er war immer da – wie er überhaupt diese Kirche, deren Gemeindemitglied er war, als seine zweite Heimat empfand.

Die Jahre nach 1938 waren für Ernst-Wolf Kleinwächter Jahre der Migration. Oft zog die Familie um. In Berlin wurde sie ausgebombt, irrte umher. Er musste in die Kinderlandverschickung, unter anderem zurück in die alte Heimat, nach Bad Warmbrunn/Cieplice, Schlesien.

Nach dem Krieg studierte Ernst-Wolf Kleinwächter Evangelische Theologie in Neuendettelsau, Heidelberg und Göttingen. Es folgte das Vikariat im Missionsseminar in Hermannsburg. Hier entstand der Plan, nach Äthiopien zu gehen, gemeinsam mit seiner Frau Anemone, mit der er sich 1954 verlobt hatte. Mehr als 60 Jahre lang war das Paar verheiratet. Sieben Kinder gingen aus der innigen Verbindung hervor. Mit der Arbeit in Afrika wurde es wegen mangelnder Tropentauglichkeit nichts. Stattdessen folgte 1957–1962 die erste Pfarrstelle in Stotel und Büttel bei Bremerhaven. 1962 wurde er in die Abteilung Öffentlichkeitsarbeit des „Amtes für Gemeindedienst“ (heute Haus kirchlicher Dienste) berufen und 1968 zum Pastor in Fallersleben ernannt. Die letzten beiden Jahrzehnte seines hauptamtlichen beruflichen Lebens wirkte er mit Leib und Seele als Krankenhausseelsorger im Henriettenstift in Hannover (1974–1993).

1989/1990 reiste Ernst-Wolf Kleinwächter gemeinsam mit seiner Frau, die ihre Kindheit in Indien verbracht hatte, auf Einladung der Indian Conference der interreligiösen Organisation „Religions for Peace“ für einen Monat nach Indien. Die interreligiösen Begegnungen auf dieser Reise beeindruckten ihn tief.

Seither stand für ihn fest, dass er etwas für den interreligiösen Dialog tun wollte. 1995 kam es zur Gründung der lokalen Gruppe von Religions for Peace. Viele Jahre lang war sein Wohnzimmer in der Arnswaldtstraße Treffpunkt und inoffizielles Büro von Religions for Peace Hannover. Auch bei der Entstehung des Hauses der Religionen zwischen 2000 und 2005 war Ernst-Wolf Kleinwächter einer der Taktgeber. 2011 wurde er für seine Verdienste mit dem Integrationspreis der Landeshauptstadt Hannover ausgezeichnet. In seiner Abschiedsemail schrieb er: Das Haus der Religionen „hatte und hat noch immer meine höchste Priorität – ein Herzstück meines Lebens. Nunmehr steht an – meine Bereitung zur Auferstehung in die Fülle und das Licht des ewigen Lebens."

Prof. Dr. Wolfgang Reinbold, Beauftragter für Kirche und Islam im Haus kirchlicher Dienste der Landeskirche Hannovers