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Foto: Stephan Eimterbäumer

Wortmeldung August 2022

Nachricht 01. August 2022

Ein anderer Blick auf die Arbeitswelt

In Deutschland sind zurzeit 1000 Bürger:innen als ehrenamtliche Richter:innen an Arbeitsgerichten tätig.

2019 wurde ich auf Vorschlag meines Arbeitgebers als ehrenamtliche Richterin, der Arbeitgeberseite, an das Arbeitsgericht Oldenburg berufen. Auch wenn ich mich als Arbeitnehmerin ein wenig schwer damit tat für die Arbeitgeberseite tätig zu sein, habe ich es bis heute nicht bereut, dieses Amt übernommen zu haben, denn es hat mir in vielerlei Hinsicht, einen ganz neuen Blick auf die Arbeitswelt und die darin tätigen Menschen eröffnet.

Kammersitzungen

Drei bis viermal im Jahr erhalte ich eine Einladung für einen Kammertermin am Arbeitsgericht in Oldenburg. Dort treffe ich auf, z. B. einen Berufsrichter und eine weitere ehrenamtliche Richterin, von Arbeitnehmerseite. Zusammen gehen wir die zu verhandelnden Fälle durch und besprechen das weitere Vorgehen. In der Diskussion spielt die unterschiedliche Vertretungsseite dabei nur eine untergeordnete Rolle. Im Großen und Ganzen geht es uns darum, dass beide Seiten gesichtswahrend aus der Verhandlung herausgehen können. Denn sowohl für Arbeitnehmende als auch für Arbeitgebende ist und bleibt eine Verhandlung am Arbeitsgericht eine große psychische Belastung. Das wird besonders deutlich, wenn zur Wahrheitsfindung Zeugen geladen sind.

„Beschlossen und verkündet“

Oft sehen wir den Beteiligten an, wie sehr sie die ganze Situation belastet. Arbeitnehmende erleben wir in der Situation mehr schweigend, das Reden überlassen sie den Anwälten. In der Verhandlung zeigt sich manchmal, dass ein klärendes Gespräch kaum noch möglich ist. Die Verletzungen sitzen tief und eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit scheint unmöglich. Diese Situation macht mich immer wieder betroffen. Wenn Menschen, die zusammen etwas bewegen wollten, vielleicht sogar die gleichen Ideale teilen, nun Anwalt und Gericht benötigen, dann ist alles schiefgelaufen, was schieflaufen kann.

Hinter jeder Klage findet sich ein Schicksal. Deshalb ist, neben einem guten Arbeitsrecht, auch der Einsatz von ehrenamtlichen Richter:innen so wichtig, die mit ihren Erfahrungen aus der eigenen Arbeitswelt, zu einer guten Lösung beitragen können. Mit dem Sachverstand und Einfühlungsvermögen der Berufsrichter:innen gelingt es oft, am Ende ein „gerechtes“ Urteil zu verkünden.

Der richtige Ton

Damit Arbeitnehmende und Arbeitgebende aber erst gar nicht vor Gericht landen, ist es wichtig miteinander im Gespräch zu bleiben und sich gegenseitig zuzuhören. Einige Unternehmen haben dies bereits erkannt und setzten zur Vermittlung auf Mediator:innen.

„Gib mir die richtigen Worte, gib mir den richtigen Ton…“, so heißt es in einem Kirchenlied. Die Wahl der Worte und des richtigen Tonfalls sind unverzichtbar für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. Profit von Unternehmen oder sinkende Steuereinnahmen der Kirchen dürfen nicht vor menschlichem Miteinander stehen.

Zum Download der Wortmeldung

Autorin

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Beate Schulte

Sozialreferentin für den Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt in der Ev.-luth. Kirche in Oldenburg
Diakonin

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