Der hannoversche Landessozialpfarrer Dr. Matthias Jung ist gegen Bestrebungen, den Sonntag als arbeitsfreien Tag aufzugeben, um etwa den in der Pandemie gebeutelten Einzelhandel durch zusätzliche Öffnungen zu stärken. „Die Zukunft des Einzelhandels hängt nicht an der Sonntagsfrage“, sagte er im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Am Mittwoch (3. März) wird der Sonntag als staatlicher Ruhetag 1.700 Jahre alt. Kaiser Konstantin verkündete ihn im Jahr 321 für das römische Reich. Anlässlich des Jubiläums betonte Jung, die meisten Menschen wollten an der gemeinsamen Sonntagsruhe festhalten.
„Sonntagsöffnungen allein werden den Einzelhandel nicht retten, wir brauchen andere Strategien“, betonte er. „Wahrscheinlich haben da Modelle Zukunft, die sich in der Pandemie entwickelt haben, etwa online bestellen und im Laden abholen.“ Auch die Zukunft der Innenstädte hänge nicht allein daran, ob Läden geöffnet seien. „Wir sollten gemeinsam überlegen, wie wir die Stadtzentren gestalten wollen, um sie attraktiv zu machen.“ Denkbar sei, die durch die Coronakrise neu gefragte Solidarität zu bewahren und den Sonntag künftig auch für Begegnungen und den Austausch über Politik und Kultur zu nutzen.
Pandemiebedingt gelegentlich am Sonntag zu öffnen, um Besucherströme zu entzerren und mehr Abstand zu ermöglichen, könne er sich vorübergehend vorstellen, sagte Jung. „Dazu braucht es aber kluge Konzepte, sonst geht es schnell auf Kosten der Beschäftigten oder Inhaber kleinerer Läden.“ Da für die Öffnung in jedem Fall Anlässe nötig seien, wäre jetzt die Zeit, kreativ zu experimentieren und viele ins Boot zu holen.
Es bleibe ohnehin abzuwarten, wie sich das Kaufverhalten entwickele, etwa wenn Menschen anteilig auch später mehr im Homeoffice arbeiteten, sagte Jung. „Vielleicht wird dann die wohnortnahe Versorgung wieder attraktiver, wenn Menschen weniger pendeln als früher.“
Der evangelische Landessozialpfarrer hat für eine Broschüre Menschen zu ihren Sonntagsgewohnheiten befragt. Auch hier habe die Corona-Pandemie manches verändert. „In einem meiner Interviews schildert ein Fotograf, wie still seine sonst belebte Gegend in Hannover-Linden auch am Werktag war - so wie sonst sonntags. Die Abwechslung fällt weg, wir sind mehr auf uns selbst zurückgeworfen.“ Das sei einerseits schwer auszuhalten. Doch biete es auch eine Chance, neu über das Verhältnis von Arbeit und Ruhe nachzudenken.
Wichtig sei es, diejenigen im Blick zu haben, die in den sogenannten systemrelevanten Bereichen auch am Sonntag arbeiten müssen, ergänzte er. „Begründete Ausnahmen von der Sonntagsruhe hat es immer gegeben, schon Kaiser Konstantin verfügte, dass die Menschen Landwirtschaft von seinem Edikt ausgenommen waren.“
Evangelischer Pressedienst (epd), Landesdienst Niedersachsen-Bremen