Warum ist so eine Ausbildung sinnvoll?
Egal welche Zielgruppe man zu welchem Einsatzgebiet fragt, die Antwort lautet immer: „Ich möchte hier rausgehen und einen Werkzeugkoffer an Methoden haben.“ Diesen Werkzeugkoffer gibt es aber leider nicht. Vermutlich trauen sich deshalb gerade junge Menschen nicht an ein solches Feld heran oder sind unsicher. Natürlich aus Angst, etwas falsch zu machen. Wenn wir ihnen dann sagen: „Es war super, dass du dort warst und zugehört hast“, dann sind die Teamenden erstaunt, dass die alleinige Anwesenheit schon seelsorgliches Handeln ist und dass so eine Kleinigkeit bereits hilfreich sein kann. Im Basismodul der Ausbildung wollen wir daher vor allem an dieser Stelle arbeiten: Unsicherheit überwinden! Und natürlich geht es auch darum, die Grenzen der eigenen Möglichkeiten zu erkennen. Auch dazu wollen wir ermutigen: eigene Grenzen erkennen und akzeptieren.
Inwiefern unterscheidet sich die Peer-to-Peer-Seelsorge von einer „normalen“ Seelsorge?
Die Peer-to-Peer-Seelsorge geht davon aus, dass sich Kinder und Jugendliche eher Gleichaltrigen zuwenden und von Sorgen und Nöten berichten, als dass sie zum Diakon oder der Pastorin gehen. Die Gleichaltrigen sind daher eine erste Anlaufstelle und können auch vermitteln, wenn dies notwendig ist.
Kann man Seelsorge überhaupt lernen?
Als Psychodramatiker und als Systemikerin müssen wir Ihnen sagen, dass Seelsorge vor allem eine Haltung ist. „Ich bin wertschätzend. Ich sehe jemanden als wertvolles Geschöpf Gottes an.“ Und diese Haltung können die Auszubildenden einüben. Empathie, Zugewandtsein und so weiter gehören dazu. Natürlich braucht es dann an der einen oder anderen Stelle auch gute Qualifizierungen, beispielsweise um sich klarzumachen, worauf besonders geachtet werden muss, wie mit Fragestellungen zielgerichtet begleitet wird und Ähnliches mehr. Aber fürs Erste sind Intuition und die eigenen Erfahrungen, an die die Auszubildenden anknüpfen können, das Wichtigste. Beides trägt (fast) jeder Mensch jeden Alters in sich und kann es mit etwas Reflexion auch lernen und einsetzen.
Wie sehen die Lerninhalte der Teilnehmenden in dem Seminar konkret aus?
Die Auszubildenden setzen bei ihren Wahrnehmungen an: „Woran erkenne ich, dass jemand gegebenenfalls Unterstützung bräuchte?“ Oder sie überlegen sich, was die Gründe für die Situation sein könnten, die sie beobachtet haben. Konkret gibt es beispielsweise folgende Übung: „Du siehst eine 16-Jährige mit Tränen in den Augen. Welche Gründe könnte es dafür geben?“ Die Teilnehmenden bemerken meist schnell, dass diese im Spektrum Allergie bis Trauer liegen können.
Oder die Teilnehmenden werden aufgefordert, sich eine Situation zu überlegen, in der sie schon einmal Hilfe gebraucht haben. Dann stellen sie sich hinter einen Stuhl mit einem lächelnden beziehungsweise einem traurigen Emoji und sagen, was ihnen in jener Situation gutgetan hätte oder nicht. Die Anknüpfung an die eigenen Erfahrungen und das Beobachten stehen hier im Fokus des Lernens: „Was mir hilft, hilft nicht unbedingt jemand anderem.“ Dazu überlegen sie, woran zu erkennen ist, dass ein Gespräch zu Ende geht und wie ein Gespräch gut beendet wird.
Die älteren Jugendlichen ab 18 Jahren üben sich dann praktisch im aktiven Zuhören als einer Methode der Gesprächsführung. Sie lernen darüber hinaus, dass es wichtig ist, danach zu fragen, was dem Gegenüber jetzt hilft und was es braucht, ebenso wie zu überlegen, ob sie für das Problem die richtige Ansprechpersonen sind. Das heißt, sie üben die sogenannte Auftragsklärung. Es ist für Seelsorge ein ganz zentraler Gedanke, das eigene Handeln an den Bedürfnissen des Gegenübers auszurichten. Schon Jesus hat sein Gegenüber gefragt: „Was willst du, dass ich dir tun soll?“ Daran orientieren wir uns. Wir wissen eben nicht besser als unser Gegenüber, was es benötigt oder wer hilft. Seelsorge ist keine Mission.
Wer kann sich ab wann für die Ausbildung anmelden? Sind schon erste Seminare geplant? Und leiten Sie beide die Seminare?
Es ist ein bisschen anders. Wir haben mit einer Arbeitsgruppe aus Diakoninnen und Diakonen, Pastorinnen und Pastoren und Diakoninnen und Diakonen im Anerkennungsjahr zusammengetragen, was benötigt wird, um in der Peer-to-Peer-Seelsorge Menschen auszubilden. Daraus haben wir dann Materialien entwickelt – abgestuft nach Alter (ab 16 beziehungsweise ab Volljährigkeit). Das Basismodul kann gut in die Juleica integriert werden, weil es nur drei Stunden dauert. Das Aufbaumodul vermittelt Haltung und Methoden zur Gesprächsführung und braucht daher einen ganzen Tag. Beide Module werden von den Pastorinnen und Pastoren sowie Diakoninnen und Diakonen vor Ort in die dortigen Schulungen eingebracht – sie sind die Leitungen der Seminare. Die Werkstatthefte sind sozusagen das Unterrichtsmaterial für die Leitungen. Darin finden sich dann einzelne Arbeitsblätter, die an die Teamenden herausgegeben werden.
Was die Arbeitsgruppe und wir beide aktuell tun, ist, den Interessierten die Inhalte und Methoden der Werkstatthefte näherzubringen. Dafür wird es im Herbst 2021 die nächste Schulung geben, denn eine fand bereits im Rahmen der Fachlichter Anfang Februar statt. Und für 2022 sind dann drei weitere Schulungen in Vorbereitung.
Das Interview führte Christine Warnecke