Verantwortung der Kirche
„Kirche hat an dieser Stelle eine besondere Verantwortung", so die Landespastorin Paul. „Das Evangelium ist parteilich für die, deren Stimmen leise oder verstummt sind, die keine Kraft haben, ihre Situation laut kundzutun. So ist es eine Aufgabe an diesem Tag, gemeinsam mit anderen Akteur*innen Öffentlichkeit herzustellen, im doppelten Sinne: zum einen, den Betroffenen zu zeigen, wir sehen und hören euch, auch wenn ihr leise seid, und zum anderen Menschen dafür zu sensibilisieren, aufmerksam und solidarisch ihr Umfeld wahrzunehmen.“
Außerdem hat Kirche, so Paul, lange genug Gewalt gegen Frauen verharmlost. Die falsch verstandene Parallele von Christus als dem Haupt der Gemeinde und dem Mann als dem Haupt der Familie, dem sich Frau und Kinder unterzuordnen haben, hätten in früheren Zeiten mit dazu beigetragen, dass Gewalt in der Familie eine Privatsache war. Die Vergewaltigung in der Ehe sei erst vor 23 Jahren strafbar geworden.
„Und auch die Kirche selbst ist als weltliche Institution nicht frei von den Strukturen, die Gewalt gegen Frauen möglich machen. Dabei steht fest: Gewalt unter Menschen und speziell Gewalt gegenüber einer körperlich unterlegenen Person ist Verletzung ihrer Würde und ihrer Gottesebenbildlichkeit. Theologisch gibt es kein Argument dafür, dass Frauen Opfer von Gewalt und Männer Täter von Gewalt sind, sondern nur Argumente dafür, dass Frauen nicht Opfer und Männer nicht Täter bleiben müssen und sollen.
Unser kirchliches Handeln muss deshalb zeigen, dass häusliche Gewalt nicht das persönliche Problem einer einzelnen Frau ist. Männer müssen hierbei ihre Verantwortung erkennen und gesellschaftliche Strukturen, die dabei hinderlich sind, müssen verändert werden.
Und dieses Thema braucht die Öffentlichkeit. Erst, wenn es gelingt, die häusliche Gewalt noch weiter aus dem Dunkelbereich des Privaten heraus zu ziehen und Frauen noch mehr spüren, dass sie nicht alleingelassen werden, entsteht die Öffentlichkeit, die hilft, häusliche Gewalt zu ächten, zu ahnden und am Ende hoffentlich auch zu verhindern.“