Pastor Holger Nollmann ist seit dem 1. Juli theologischer Referent für Kirche im Sozialraum. Diese neue Projektstelle ist angegliedert an das Arbeitsfeld Kirche im Gemeinwesen im Haus kirchlicher Dienste (HkD).
Was ist die Rolle von Kirchengemeinden und diakonischen Einrichtungen im Sozialraum? Das wird die Hauptfrage sein, mit der Nollmann sich theologisch, strukturell und praktisch auseinandersetzen wird. „Der auferstandene Christus ist uns in den Sozialraum vorausgegangen, wir folgen ihm“, so der Pastor. Während sein Kollege Peter Meißner stärker Gemeinden in gemeinwesendiakonischen Prozessen berät, wird Nollmann das Thema vor allem in die verschiedenen Bereiche der Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie Personalentwicklung einbringen.
„Ich werde zunächst schauen, was bereits vorhanden ist und dann mit dem Predigerseminar, dem Pastoralkolleg und anderen Partnerinnen und Partnern Angebote erarbeiten“, sagt der 56-Jährige, der seit einigen Jahren einen Lehrauftrag zum Thema Sozialraumorientierung an der Evangelischen Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe in Bochum innehat. Aber auch einzelne Pastorinnen oder Diakone wird er beraten. „So können sie etwa bei einem Wechsel der Stelle die neue Gemeinde gleich intensiver unter dem Blickwinkel der Sozialraumorientierung betrachten. Dabei steht vor allem die Reflexion der eigenen Haltung im Zentrum“, betont Nollmann. „Wenn man den Sozialraum liebt, geht man mit anderen Augen durch das neue Umfeld. Gott ist schon da!“
In Bochum hat Nollmann als Gemeindepastor zusammen mit vielen Akteuren in einer Kirche aus den 60er Jahren das Zentrum „Q1 – Eins im Quartier“ aufgebaut. Die Kirche ist jetzt ein „Haus für Kultur, Religion und Soziales“. In dem alten Kirchengebäude befinden sich eine Kapelle, drei Veranstaltungsräume, fünf Büros und Beratungsräume. Getragen wird die Einrichtung gemeinsam von der Evangelischen Kirchengemeinde Bochum und einer Migrantenselbstorganisation, außerdem arbeitet eine Residenzkünstlerin im Haus. „Der Stadtteil ist ethnisch sehr vielfältig“, erzählt Nollmann. „Es finden zum Beispiel Migrationsangebote, Integrationskurse und Präventionsangebote gegen Radikalisierung in den Räumen statt.“ Auch ein Begegnungscafé und eine Kunstwerkstatt sind vorhanden. Gleichzeitig nutzt die Kirchengemeinde die Räume.
„Dadurch entstehen immer wieder Gelegenheiten zum gegenseitigen Austausch“, erinnert sich der Pastor. „Die Kapelle ist die Herzkammer des Stadtteilzentrums, jede Besucherin, jeder Besucher kann sie nutzen und sieht auch, was dort gerade stattfindet. Wenn zum Beispiel eine Hochzeit dort gefeiert wird, dann fragen Menschen, die zum Deutschkurs kommen, nach, was dort geschieht. So kann zum Beispiel ein Austausch zu Ehe- und Partnerschaftsvorstellungen in den verschiedenen Kulturen entstehen.“ Im Jahr 2016 erhielt das Projekt den 1. Preis im Wettbewerb der Wüstenrot-Stiftung „Kirchengebäude und ihre Zukunft“. Nollmann ist seither vernetzt mit vielen anderen sozialraumorientierten Projekten in Deutschland.
Die Auseinandersetzung mit anderen Religionen und Kulturen zieht sich durch Nollmanns Biographie hindurch. Der gebürtige Bochumer war Vikar und später Pastor in Witten am Rande des Ruhrgebiets. Dort wurde er 1997 Islambeauftragter des Kirchenkreises und leitete ab 1999 die Beratungsstelle für christlich-islamische Begegnung der Rheinischen und Westfälischen Kirche. 2002 ging er nach Istanbul, als Pastor für die deutschsprachige Auslandsgemeinde in der Türkei. 2011 schließlich kam er zurück in seine Heimatstadt, wo das Q1 entstand.
Nollmann ist verheiratet und hat drei Kinder. Privat ist er als Schiedsrichter im Amateurfußball aktiv.