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Landwirtschaftspastorin Rabe zur Schweine-Produktion

Nachricht 13. Oktober 2020

Interview mit Ricarda Rabe, Referentin für den kirchlichen Dienst auf dem Lande

Weil mehrere Schlachthöfe wegen Corona nicht arbeiten dürfen, stauen sich nun hunderttausende Schweine in den Ställen. Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast brach im Landtag in Tränen aus, als sie von der Situation der Bauern erzählte, die verzweifelt sind. Frau Rabe, Sie selbst sind auf einem Bauernhof aufgewachsen. Was läuft in der Landwirtschaft falsch?

Rabe: "Corona zeigt uns, wie sehr die Produktionsabläufe durchgetaktet sind und eine Störung das ganze Getriebe zum Stillstand bringen kann. Der Schweinepreis lag vor der Pandemie bei etwa 2 Euro pro Kilo. Die Bauern brauchen 1,60 bis 1,70 Euro, um kostendeckend zu arbeiten. Aktuell liegen die Preise bei etwa 1,25 Euro. Jetzt fehlt durch die Afrikanische Schweinepest der ausländische Markt, Länder wie Südkorea und China nehmen kein deutsches Fleisch mehr ab. Und der heimische Markt ist durch die Absage vieler Großveranstaltungen auch deutlich kleiner – keine Fans in den Stadien, keine Bratwurst. Bei Pommes haben die Kartoffelbauern dasselbe Problem. Aber die Produktion läuft, Schweine wurden besamt, Ferkel werden geboren und wachsen heran – das kann man nicht einfach abstellen wie ein Fließband."

Mit reduziertem Schichtbetrieb im Schlachthof Sögel und der Diskussion um Feiertags- und Sonntagsschlachtungen gibt es Ansätze, gegenzusteuern. Reicht das - oder was müsste sich im System Landwirtschaft ändern?

Rabe: "Das wären natürlich hilfreiche Maßnahmen, um diesen aktuellen Überhang an Schweinen erstmal abzubauen. Wobei ich trotzdem Vorbehalte gegenüber einer Sonn- und Feiertagsarbeit habe. Andere Maßnahmen, etwa weniger Schweine zu besamen, würden aber erst in Monaten wirken. Und die Bauern leben von ihnen, sie brauchen den Absatz. Es gibt eine so große Verzweiflung bei den Landwirten – sie müssen für etwas bezahlen, für das sie nichts können.“

Haben wir zwischen heimischer Produktion und Weltmarkt-Absatz die Demut vor der Schöpfung verloren?

Rabe: „Absolut, wir sind nicht mehr demütig genug. Corona hat uns gezeigt, dass wir nicht den Weltmarkt als Handelsmaßstab nehmen sollten. Wobei man sagen muss, dass China zum Beispiel viel Fleisch abnimmt, das sich hier nicht verkaufen lässt: Pfoten, Ohren, Leber – wer kocht heute noch damit? Wir sollten uns nicht nur die Filets raussuchen. Wir lernen gerade, dass die Natur uns nicht braucht – wir aber die Natur. Wir sollten uns viel mehr wie ein Teil der Schöpfung Gottes begreifen - und nicht wie ihre Herren.“
 

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